Ich glaube nicht…

04:28 Uhr irgendwo am Rande des Wahnsinns.
Ein Funkmeldeempfänger piepst.
Ein schlechtgelaunter Notarzt fällt aus dem Bett, berappelt sich, steigt in Hose und Stiefel, schnappt sich seine Jacke und verlässt das Bereitschaftszimmer Richtung Liegendanfahrt der Klinik.

Es ist kalt, ich muss Pipi und mein Taxi ist noch nicht in Sicht.
Ein Blick aufs Display des FME sagt mir, warum ich mitten in der Nacht aufstehen muss:
##RTW+NEF #Reanimation# Um-die-Ecke-Straße 4# Weiblich-92 Jahre, CA.Pat##
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Sag bloß!

„Keine Ahnung, wo Doc Schneidzuviel da genau reingeschnitten hat. Fürchte aber, er hat sein Fachgebiet mehr als nur ein paar Zentimeter verlassen und selber noch kein genaues Bild. Ist ja auch dezent unübersichtlich mit dem ganzen Blut da in dem Bauch.“ gebe ich Doc Puschel zu verstehen, warum ich ihn zu mir in den Saal gerufen habe.
„Ach, da ist noch Blut im Bauch? Sieht aus, als sei das alles im Sauger… Was haben wir denn bisher?“ möchte er von mir wissen.
„Eine Rosanüle von Station und eine weiße von uns. Bisher 1,5 Liter Kristalloid, das erste Kolloid läuft, bevor das losging etwa 300ml Blut im Sauger und die ganze Zeit stabil. Ausgangs-Hb um Elf-Komma, Gerinnung normal. Naja und vor ein paar Minuten…“ meine linke Hand zeigt nach jenseits der Blut-Hirn-Schranke, während ich die rechte flach in Richtung Sauger ausstrecke und eine Bewegung von unten nach oben mache.
Puschel versteht, verschafft sich kurz einen Überblick und fragt: „Wo ist eigentlich ihre Pflege?“
„Tantchen setzt gerade ’nen Arterenol-Perfusor an, bereitet ZVK und Arterie vor und bringt das Kreuzblut an die Schleuse und hoffentlich die bestellten Notfallkonserven mit. Sie wissen ja, Tantchen ist noch das alte Modell mit nur zwei Armen, da kann das schon mal etwas dau….“ antworte ich ihm just als die Schiebetür zur Einleitung sich öffnet und Tantchen zwei vollbeladene stumme Schwestern mit den Füßen vor sich her in den Saal schiebt. Unter dem linken Arm klemmt der Arterenolperfusor und in der rechten Hand hält sie einen frisch ausgedruckten BGA-Zettel. „Ich hab gehört hier verblutet einer?“ sagt sie trocken in die Runde. „Ja, Dr. Schneidzuviel tut sein Möglichstes!“ erwidert Puschel ernst.
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Nur die Harten…

###11:04#RTW+NEF#Weitwegstedt#AnDerGrünenWiese5#ACS###

„Naja, also so seit drei Tagen.“ antwortet mir Herr Bauer auf die Frage, seit wann er die Brustschmerzen denn jetzt genau hat. „Ich hab ja gedacht das geht noch wieder weg, aber heute morgen wars so schlimm, das ich erstmal zum Arzt gefahren bin und der hat gesagt ich muss ins Krankenhaus wegen der Pumpe.“
„Da hat er nicht ganz unrecht, fürchte ich.“ entgegne ich mit einem Blick auf das ausgedruckte EKG aus der Praxis, das man so auch im Psychrembel unter dem Stichwort „Myokardinfakrt, akuter, der Vorderwand“ finden könnte. Selten haben sich ST-Trecken so formschön gehoben.
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Nicht vom Fach

Nach einem Intensiv-Nachtdiensttörn findet meine Freundin mich, als sie von der Arbeit nach Hause kommt bedingt ansprechbar auf dem Sofa. Jede andere hätte wahrscheinlich den Notarzt gerufen, sie aber kennt den Anblick schon, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und fragt mich wie meine Nacht war. „Mrglgrb. Mraa. Grmbl.“ antworte ich.
Sie riecht gut. Ich nicht, also geht sie erstmal in die Küche und macht Abendbrot für sich, Frühstück für mich.
Während sie in der Küche werkelt sortiere ich mich und meine zweieinhalb verbliebenen funktionierenden Neurone und bin gerade rechtzeitig zur gemeinsamen Nahrungsaufnahme damit fertig.
Sie weiß genau, was ich brauche, nimmt die Fernbedienung und schaltet den Fernseher ein: „Simpsons, Süsser!“
Wir lauschen also beim Essen dem letzten verbliebenen großen Philosophen unserer Tage, als irgendwann die unvermeidliche Werbeunterbrechung und eine Vorschau für die folgende Galileo-Sendung kommt. Dort ist heute Sprengstoff das Tagesmotto und ziemlich reißerisch kündigt man an: „…und wir erklären ihnen, warum auf jedem Rettungswagen in Deutschland ein Fläschchen [dramatische Betonung] NITROGLYCERIN [/dramatische Betonung] mitfährt!“
Von schräg rechts schaut man mich fragend an. „Stimmt das?“ will man von mir wissen.
Sie hat übrigens nichts mit Medizin zu tun, ausser, das sie ab und zu krank ist, nichts ernstes zum Glück. Ansonsten macht sie viel Prozentrechnung.
„Ja, das stimmt schon…“ antworte ich, immer noch etwas verschlafen und nehme einen Schluck Milch.
Sie nutzt die kurze Pause, um mir ihre Theorie bezüglich des Nitros vorzutragen: „Damit sprengt ihr doch bestimmt immer die Dicken aus ihren Wohnungen frei!“
Ich hole einen Lappen.
Und ich werde das bei nächster Gelegenheit ausprobieren.

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Mordlust

Das Kissen fühlt sich kratzig an, aber das ist mir egal. Nach elf Stunden ohne richtige Pause im OP hab ich mir das Bett im Dienstzimmer wirklich verdient, finde ich.
Das Diensthandy teilt mir klingelnd mit, das jemand das anders sieht.
Jemand im Kreissaal. Wer auch sonst um halb drei Uhr Nachts.
„Vapor, Anästhesie, stets zu Diensten!“ melde ich mich und klinge dabei nur halb so kaputt, wie ich wirklich bin.
„Ach Vapor, schön das Du noch wach bist! Klimperwimper, Gyn!“ schallt es mir für die späte Stunde viel zu gut gelaunt entgegen.
Zu meiner Müdigkeit gesellt sich ein Quäntchen Genervtheit: „Klimpewimper, wach ist so ’ne Sache. Was haste denn? Sectio?“
„Neeee!“ schallt es aus dem Hörer, als sei das das abwegigste vom Abwegigen, das eine Gynäkologin, die Nachts einen Anästhesisten anruft sectionieren will. „Neeeee! Ich will hier ’nen PDK legen und wollte fragen, ob das geht.“ flötet es mir, weiterhin allerbest gelaunt entgegen.
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Unser Lied

Schlaflos und bettflüchtig schlendere ich über die Intensivstation.
Ich mag es, wenn auch hier Ruhe eingekehrt ist und nicht nur die intubierten Patienten sich im Reich der Träume befinden.
Hinter mir höre ich die Tür einer Patientenbox aufgehen.
„Vapor!“ zischt es in meinem Rücken. Ich bleibe stehen und ahne, was jetzt kommt. „Du traust Dich was, Dich hier Blicken zu lassen nach der Nacht!“
Ich kann die Kollegin Schlummer schon verstehen.
„Ach Schlummi. Tut mir echt leid. Aber was soll ich machen?“ frage ich, während ich mich zu ihr umdrehe.
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Keine Ahnung hab ich auch nicht

###02:48#RTW+NEF#Dingsdaallee14#Bedingt Ansprechbar###

„Also: Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffgehalt im Blut sind okay und das EKG sieht auch gut aus. Auch die körperliche Untersuchung ist soweit unauffällig. Und Schmerzen haben sie auch keine?“ frage ich Frau Gehtnichtgut, der ich auf ihrem schmuddeligen Sofa gegenüber sitze.
„Nee, keine Schmerzen. Mir gehts aber beschissen!“ koddert diese zurück und das glaube ich ihr auch, sie wirkt wirklich krank. AZ-Drei-Pfeile-Nach-Unten-Krank.
„Vor vier Wochen waren sie also genau den selben Problemen in der Klinik am Rande des Wahnsinns, richtig?“ „Richtig. Eine Woche stationär.“ „Und was haben die Kollegen da mit ihnen gemacht?“ versuche ich das ganze in eine Richtung zu lenken, die mir bei der Generierung einer Arbeitshypothese helfen könnte. „Mir andere Tabletten gegeben.“ ist die wenig erhellende Antwort. „Den Entlassungsbrief oder eine Medikamentenliste haben sie nicht zufällig hier, oder?“ wende ich mich an Tochter Gehtnichtgut, die sich -löblich- um die alte und nur noch mäßig geistesklare Dame kümmert. „Nee. Ist bei der Hausärztin.“ Da liegen sie, warm und trocken und bringen mich nicht weiter.
„Und können sie mir sagen, was bei ihrer Mutter für Vorerkrankungen bekannt sind und was genau im Krankenhaus zuletzt behandelt wurde?“ setze ich nach, ganz der alte Anamnese-Terrier. „Also. Mutti hat Herz und Lunge, und im Krankenhaus war Niere das Problem. Zucker hat ’se nicht.“
Ich kriege kurzzeitig Angina Pectoris, erhole mich aber spontan. Herz und Lunge hat sie also zum Glück! Ohne lebt es sich ganz mies, hab ich gehört.
„Irgendwie ein bisschen differenzierter haben sie das gerade nicht parat?“ Tochter Gehtnichtgut schaut mich an, als hätte ich verlangt mir die biophysikalischen Grundlagen der Neurotransmission des Spulwurms zu erklären, aber sie gibt alles, was sie kann: „Also Herz ist nich gut und Lunge ist schlecht. Und die Niere geht gerade noch so. Aber: Kein Zucker!“
So ist das also…
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Selektive Wahrnehmung

Auf dem Parkplatz einer Wohnblockanlage haben die Kollegen soeben die Trage mit dem Patienten im RTW verlastet. Ich war noch kurz mit meinem Chauffeur zum NEF gegangen, um mir die BTM-Tasche aushändigen zu lassen.
„Entschuldigen sie, junger Mann?“ spricht mich auf halbem Weg zurück eine hutzelige ältere Dame an. Ich lächle sie freundlich an und mache berufskrankheitsbedingt einen schnellen Check-Up: 70-80 Jahre, am Rollator mobil. Ein bisschen viel Wasser in den Beinen trotz Kompressionsstrümpfen und ein bisschen kurzatmig. Bis bald zum Schenkelhals oder zum nächsten Lungenödem. Akut scheint sie mich aber nicht so nötig zu haben wie der Infarktpatient im RTW, deshalb bin ich relativ kurz angebunden: „Was ist denn?“
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Neulich, am Notfalltelefon

Hier in der Heilanstalt am Rande des Wahnsinns hütet die Anästhesie auf ihrer Intensivstation auch das interne Notfalltelefon.
Man darf sich das so vorstellen:
Irgendwo in der Klinik versucht jemand, der noch nicht soll zu sterben und irgendjemand merkt es. Der ruft dann eine Schwester, die kommt gucken, und ruft dann, wenn derjenige es wirklich ernst meint das Reanimationsteam. Damit sich wirklich jeder die Nummer merken kann und auch parat hat, wenn er/sie ein bisschen aufgeregt ist, ist sie sehr einfach gehalten: Viermal die Zwei.
Auf dem Tresen der Intensivstation klingelt dann, ziemlich laut und ziemlich penetrant das, wer hätte es gedacht, Notfalltelefon. Sämtliche freie Kräfte versammeln sich dann am Tresen und nachdem der Anruf abgewickelt ist wird kurz rapportiert wo was los ist und zwei Schwestern und ein Arzt schnappen sich zwei Notfallrucksäcke und einen Defi und gehen los. Ja, gehen. Denn wir wollen nicht stolpern, uns den Fuß verknacksen und dann kommt keiner, das wäre nicht professionell.
Jedenfalls wird der Arbeitsablauf auf der Station immer ein wenig durcheinandergebracht, weil alle sich erschrecken weil das Telefon so laut und penetrant klingelt und dann erstmal eine rauchen gehen müssen um sich wieder zu beruhigen, zusätzlich fehlen auch erstmal drei Mann/Frau für eine absehbare, aber dennoch unbestimmte Zeit.
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Bumsfallera

Kurz nach halb eins in der Nacht. Frau Umgeknickt wartet in der Einleitung von Saal F darauf, daß ich den Tubus aus Herrn AkuteGalle rausziehe, ihr eine Spinale steche und sie eine Stahlverstärkung an ihren kompliziert-kaputten Knöchel gemeißelt bekommt.
Bisher war der Dienst eher Beschäftigungstherapie mit prämedizieren und operativem Klein-Klein, das entweder vom Tage übrig blieb oder gemacht werden musste.
Während ich beim Universum ein paar Stunden Schlaf bestelle, klingelt mein Diensthandy.

VAP: Vapor, Anästhesie, Abend!
GYN: Hallo Vapor! Klimperwimper, Gyn. Wir müssen eine Lapski machen. Notfall. Die Patientin blutet Hb-Wirksam, ist nüchtern.
VAP: Okay. Ich leite hier gerade noch ’ne Galle aus, als Notfall gewinnt ihr den nächsten Slot, würde ich sagen. Prämed mach ich in der Schleuse. Ich denke so in zehn Minuten ruf ich die ab. Wie ist der Hb, sind EKs in der Mache? Wo blutet sie? Und nüchtern ist ja Latte, wenns ein Notfall ist.
GYN: Die hat freie Flüssigkeit intraabdominell… Ach so, Hb… Blut hab ich keins bekommen. Ich versuch das nochmal.
VAP: Okay. Bitte auch Kreuzblut, 2 EK, E’lyte und Gerinnung, damit wir wissen wo wir herkommen. Wie sind Druck und Frequenz? Braucht sie schon Volumen, ist sie stabil? Wie gehts der im ganzen? Intensivbett?
GYN: Ach, jetzt nicht sooo schlecht, kein Intensivbett. Druck und Frequenz haben wir noch nicht gemessen. Ich leg dann beim Blutabnehmen einen Zugang. Soll sie ’ne HAES kriegen?
VAP: Klimperwimper, KEINE AHNUNG! Und mir ’ne Hb- und kreislaufwirksame Blutung anzukündigen ohne irgendwas gemacht oder gemessen zu haben finde ich frech. Sag den OP-Schwestern bescheid was ihr machen wollt. Ich muss jetzt Ausleiten, bis gleich, Tschüss.
Gyn: Ja, bis gleich.
-Aufgelegt-

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